Ein Stammzellspender berichtet
Annika Dollinger - Werkstudentin
Blutkrebs – eine Diagnose, die weltweit alle 27 Sekunden und in Deutschland alle 12 Minuten einen Menschen trifft. Das Überleben hängt oftmals von einer Stammzellspende ab. Doch nur 30 Prozent der Erkrankten finden eine passende Spende in der Familie. Für die restlichen 70 Prozent heißt es: Warten, bis ein genetischer Zwilling gefunden wird. Das kann dauern, insbesondere wenn dieser noch nicht als Spender*in registriert ist. Aktuell sind bei der DKMS 10,8 Millionen Spender registriert, vermittelt wurden bereits mehr als 93.500 Spenden. Einer dieser Spender stammt aus unseren eigenen Reihen.
Tobias ist 26 Jahre alt und seit knapp zwei Jahren in der Einkaufssachbearbeitung der Raumschmiede tätig. Dort kümmert er sich vorrangig um die operativen Abläufe der Containerimporte. Vor etwa einem Monat war es dann so weit: Er konnte einem fremden Menschen seine Stammzellen spenden und ihm dadurch eine zweite Lebenschance ermöglichen. Ich habe Tobias getroffen, um mich mit ihm auszutauschen und über seine Erfahrungen zu sprechen.
Du hast Stammzellen gespendet – wie lange bist du schon in der Datenbank der DKMS und warum hast du dich dort registriert?
Seit einer Typisierungsaktion vor neun Jahren in meiner Schule bin ich nun schon in der Datenbank der DKMS registriert und damit einer von 140 Stammzellenspender*innen, die aus dieser Aktion hervorgegangen sind. In meinem Landkreis Donau-Ries gab es bislang 398 Spender*innen, darunter vor allem viele junge Leute wie ich. Mein Beispiel zeigt, wie wichtig jede einzelne Spende ist, insbesondere die jüngeren Menschen. Denn die haben statistisch die höchste Wahrscheinlichkeit, als tatsächliche Spender*innen in Frage zu kommen. Deshalb habe ich mich auch registriert. Ich wollte als gutes Beispiel vorangehen.
Wie hast du erfahren, dass du als Spender infrage kommst?
Den ersten Anruf der DKMS habe ich leider verpasst. Doch als ich am nächsten Tag zurückgerufen habe, erfuhr ich von der DKMS-Mitarbeiterin, dass ich als Spender infrage komme und dass nun alles sehr schnell gehen müsse.
Wichtig ist dabei, dass es zwei Arten der Stammzellentnahme gibt: die periphere Stammzellentnahme, bei der die Stammzellen in einer Art Blutwäsche durch zwei venöse Zugänge mithilfe einer Maschine aus dem Blut gefiltert werden. Und die Knochenmarkentnahme, bei der das Knochenmark unter Vollnarkose direkt aus dem Beckenkamm entnommen wird. Mir stand frei, auf welche Art ich spenden wollte. Die Entscheidung habe ich danach gerichtet, was laut Ärzten für den Patienten vorteilhafter ist. Das war schlussendlich bei mir die periphere Entnahme.
Wie hast du dich gefühlt, als du die Nachricht bekamst, dass du als Spender infrage kommst?
Glücklich und erleichtert! Als ich den Anruf bekommen habe, war ich aufgeregt, aber auch froh, dass ich jemandem helfen kann, dem es nicht gut geht. Man darf als Spender viermal in seinem Leben an Menschen außerhalb der eigenen Familie spenden. Danach fällt man aus der Spenderdatei heraus. So konnte ich meiner ersten Spende entgegensehen. Das war ein tolles Gefühl!
Wie hast du dich auf die Spende vorbereitet?
Ich bin zum Termin zur Entnahmeklinik gefahren, wo die Blutabnahme und nochmals die Aufklärung über die Risiken stattgefunden hat. Neben einem Medikationsplan habe ich dann nach der Analyse meiner Blutproben ein Medikament zur späteren Einnahme erhalten, das die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut erhöht – den Wachstumsfaktor G-CSF. Dadurch sammeln sich vorübergehend mehr Stammzellen im Blut und die Stammzellentnahme ist effizienter. Eine Woche später kam schließlich die gute Nachricht: Die DKMS hat mir bestätigt, dass ich als Spender geeignet bin. In den fünf Tagen vor der Stammzellentnahme habe ich mir dann täglich das Medikament gespritzt. Die Nebenwirkungen bestanden in Abgeschlagenheit und Rückenschmerzen – ein wenig wie eine Grippe, was aber nicht ungewöhnlich ist. Also alles in allem sehr harmlos.
Wie lief die Spende ab?
Zur Entnahme durfte mich meine Freundin begleiten. Wir sind einen Tag zuvor nach Köln gefahren, wo dann die Stammzellentnahme stattfand. In einem Raum mit sechs weiteren Spender*innen hat das medizinische Personal mich zur peripheren Entnahme an das Gerät angeschlossen, das die Stammzellen aus dem Blut filtert. Dazu wurde mir an beiden Armen jeweils ein venöser Zugang gelegt. Der gesamte Vorgang der Stammzellentnahme hat etwa vier Stunden gedauert. Danach musste ich nur noch kurz abwarten, ob der Kreislauf nach der Entnahme stabil bleibt – wie bei einer Blutabnahme.
Das einzig unangenehme an dem ganzen Prozess war der Einstich der Nadel, aber das ist ja keine große Sache. In der Klinik fühlte ich mich fast schon wie ein König: Das medizinische Personal umsorgt einen mit Essen und Trinken und kümmert sich großartig um einen.
Wie hast du dich nach der Stammzellentnahme gefühlt?
Nach der Entnahme habe ich mir noch ein wenig die Beine vertreten, bin ins Hotel gegangen und habe mich dort erholt. Die einzige Nebenwirkung der Stammzellentnahme war die Müdigkeit. Abends konnte ich sogar noch gemütlich durch die Stadt bummeln und mich auch tags darauf weiter erholen.
Hast du Kontakt zu der erkrankten Person aufgenommen, die deine Stammzellen erhalten hat?
Innerhalb von 48 Stunden nach der Entnahme rief mich eine Mitarbeiterin der DKMS an und teilte mir mit, dass mein genetischer Zwilling über 30 Jahre alt und Australier sei. Sobald die Stammzellen bei ihm transplaniert worden sind, darf ich anonymisiert Kontakt mit ihm aufnehmen. In zwei Jahren darf ich mich dann auch mit ihm treffen, wenn wir das beide möchten.
Würdest du wieder spenden?
Auf jeden Fall! Auch wenn eine Spende innerhalb der nächsten zwei Jahre für meinen genetischen Zwilling notwendig sein sollte, weil er erneut Stammzellen von mir benötigt. Meine größte Angst vor der Spende war ohnehin, dass ich zwar geeignet bin, aber wegen einer Erkrankung nicht spenden darf. Als von der DKMS die Nachricht kam, dass ich spenden darf, war das für mich eine große Erleichterung.
Wie hat dein Unternehmen auf deine Entscheidung reagiert?
Ich habe damals bei unserer Personalabteilung die entsprechenden Unterlagen abgegeben. Dem Unternehmen zahlt die DKMS den Ausfall, der durch die Spende und den Arbeitsausfall zustande kommt. Die Personalabteilung teilte mir jedoch mit, dass die Raumschmiede das Geld an die DKMS spenden möchte. Eine tolle Geste zu sagen: "Die Arbeit der DKMS und die Spende schätzen wir, daher möchten wir als Unternehmen spenden." Für den ganzen Vorgang musste ich daher auch keinen Urlaub nehmen. Mit der Raumschmiede als Arbeitgeber hätte ich daher keine Bedenken, nochmals zu spenden.
Zum Abschluss des Gesprächs gibt mir Tobias eine klare Botschaft mit: Alle sollten sich bei der DKMS als potenzielle Stammzellspender*innen registrieren! Denn es kostet nichts und dauert dank der einfachen Registrierung auf der Website der DKMS (Wir besiegen Blutkrebs | DKMS) nur wenige Minuten. Das Gespräch mit Tobias hat mich sehr berührt. Zu viele Menschen auf dieser Welt sterben an Blutkrebs, nur weil der oder die passende Spender*in fehlt – und das, obwohl die Spende doch so einfach ist. Deshalb stimme ich Tobias zu: Jeder sollte sich als potenzielle*r Spender*in registrieren und damit einem erkrankten Menschen eine zweite Lebenschance ermöglichen.